In Woche eins nach der Brückensperrung ist immer noch zu beobachten, dass Leute die Absperrungen willkürlich umgehen. Alle warnen, das sei gefährlich. Inwieweit ist tatsächlich die Sorge begründet, dass die Wupperbrücke von jetzt auf gleich zusammenbricht?
Landrat Dr. Herman-Josef Tebroke: Es ist seit längerer Zeit bekannt, dass die Brücke schadhaft ist. Daher wurden die turnusmäßigen Überprüfungen intensiviert. Bislang hatten die Gutachter prognostiziert, dass die Brücke den Belastungen noch fünf bis acht Jahre standhält. Aufgrund der nunmehr vorgefundenen größeren Schäden und des seinerzeit verbauten Materials besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass die Brücke von jetzt auf gleich einbricht. Ich kann verstehen, dass dies an manchen Stellen für Unverständnis sorgt, zumal bis vor kurzem noch Fahrzeuge bis 16 Tonnen über die Brücke fahren durften. Man darf sich das Schadensbild aber nicht so vorstellen, dass sich vorhandene Risse langsam weiter ausbreiten oder verbreitern; vielmehr kann nach derzeitigem Kenntnisstand je nach weiterer Belastung die gesamte Tragfähigkeit nicht gewährleistet werden. Deswegen erfolgt die jetzige Sperrung, um genau untersuchen zu können, welche Belastungen noch möglich sind. Über die Ergebnisse werden wir laufend informieren. Bis dahin kann den Bürgerinnen und Bürgern im Interesse ihrer eigenen Sicherheit nur dringend geraten werden, die Sperrung zu beherzigen.
Die Gutachter haben davon gesprochen, dass sie 6-8 Wochen für eine intensive Prüfung des Bauwerks benötigen. Das ist die Haupt-Erdbeerzeit und damit eine kritische Phase für die Leichlinger Obstbauern, die insbesondere auch von ihrer Solinger Kundschaft leben. Haben Sie in ihren Gesprächen unter Umständen eine Chance für ein engeres Zeitfenster ausmachen können?
Landrat Dr. Herman-Josef Tebroke: Mir ist bewusst, dass die Sperrung für die Obstbauern und die anderen Unternehmen, die auf die Brücke angewiesen sind, ein echtes Problem darstellt. Gemeinsam mit dem Städten Leichlingen und Solingen sind wir bestrebt, die Nachteile so gering wie möglich zu halten. Leider waren wir aus den genannten Gründen gezwungen, die Brücke unmittelbar nach Bekanntwerden der jüngsten Prüfergebnisse zu sperren. Es tut mir leid, dass die Sperrung nun gerade in die Hochsaison der Erdbeerbauern fällt; hierauf hatten wir jedoch keinen Einfluss. Der Kreis hat gemeinsam mit der Stadt Solingen im engen Austausch mit den Gutachtern darauf hingewirkt, dass die Untersuchungen mit höchster Priorität durchgeführt werden. Derzeit wird mit Hochdruck an den Vorbereitungen für die ausführlichen Belastungstests gearbeitet. Ich hoffe, dass die Gutachter schneller fertig werden. Darüber hinaus sind Umleitungen ausgeschildert, und der ÖPNV ist sichergestellt. Nähere Informationen zu der Baumaßnahme werden auf Infotafeln und im Internet zur Verfügung gestellt.
Auch wenn es sich in ganz anderen Dimensionen abspielt - die dramatischen Verschärfungen von Schäden innerhalb kurzer Zeit lassen sich durchaus mit Leverkusens Rheinbrücken-Problematik vergleichen - ist zu befürchten, dass es bald auch an diversen anderen Stellen des Kreises Sperrungen geben wird?
Landrat Dr. Herman-Josef Tebroke: Hier kann ich natürlich nur für diejenigen Brücken sprechen, für die der Kreis zuständig ist. Zusammen mit der Wupperbrücke sind dies fünf Brücken – wenn man kleinere, technisch einfachere und demzufolge wenig anfällige Bauwerke außer Betracht lässt. Für die vier anderen Brücken kann ich diese Befürchtung ausdrücklich verneinen. In den vergangenen Jahren haben wir diese Brücken bereits erneuert; die letzte Maßnahme dieser Art ist die Aggerbrücke der K 37 in Vilkerath. Die Planungen sind in Abstimmung mit der Stadt Overath und den Anwohnern erfolgt und nahezu fertig; Baubeginn ist nächstes Jahr.
Was halten Sie von dem Vorschlag aus Solingen, eine Behelfsbrücke zu installieren?
Landrat Dr. Herman-Josef Tebroke: Die Behelfsbrücke ist seit langem ein gemeinsames Vorhaben. Der Rheinisch-Bergische Kreis ist zusammen mit der Stadt Solingen für die Wupperbrücke zuständig. Schon seit Beginn der Planungen für einen Neubau herrschte Einigkeit, dass für die Dauer der Bauzeit eine Behelfsbrücke installiert wird. Daher wurden auch schon vor Bekanntwerden der neuen Schäden die entsprechenden Planungen vorangetrieben und Fördermittelanträge vorbereitet. Dadurch sind wir nun in der Lage, den Bau der Behelfsbrücke vorzuziehen. Sie soll im März nächsten Jahres fertiggestellt sein. Auch hier werden wir alles unternehmen, damit es vielleicht noch etwas schneller vorangeht.